Arbeiten in Spanien

Erfahrungen aus meinem Berufsleben

Als studierte Volkswirtin habe ich jahrelang in einem Schweizer Tochterunternehmen in Madrid meine Erfahrungen mit der spanischen Arbeitsweise kennen lernen dürfen. Das Unternehmen kam aus der Solarbranche und verkaufte Wechselrichter. Meine Laufbahn ging dann weiter in der Schweiz zum damals weltgrößten, vertikal integrierten Modulhersteller. Dort durfte ich meine Erfahrungen mit fünf kulturell unterschiedlichen Nationen machen. Dem einen mag es bekannt vorkommen und dem anderen völlig fremd. Ich denke, dass neben den kulturellen Unterschieden auch die branchenspezifischen Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen.

Achtung Klischees (die zum Teil aber zutreffen)

Im Folgenden möchte ich betonen, dass es sich um Klischees und persönliche Erfahrungen handelt, die teilweise bestätigt werden können oder eben auch nicht. Vielmehr geht es hier darum in der interkulturellen Kommunikation zueinander zu finden und eben dieselbe Businesssprache zu sprechen.

Arbeitszeiten – der spanischer Arbeitstag beginnt meist gegen 9:00 Uhr morgens und geht bis hin in die späten Abendstunden, so gegen 19:00 Uhr. Wichtig ist der Mittagstisch, der häufig um 14:00 Uhr beginnt und manchmal sogar erst um 16:00 Uhr endet. Einige gehen nach Hause und andere essen eben so lange und gemütlich wie möglich. Die Tupperdose, wie wir es aus Deutschland kennen, wird häufig zu Hause gelassen.

Effizient & Zuverlässigkeit – was uns Deutschen quasi in die Wiege gelegt und von Klein auf antrainiert und gepredigt wird, nimmt man hier etwas gelassener. Nicht, dass der Spanier nicht effizient oder gar unzuverlässig sei, ganz im Gegenteil. Effizient und zuverlässig sind sie meines Erachtens immer dann, wenn es darauf ankommt. D.h. wenn die Bude brennt, so empfinden wir Deutschen das zumindest, kann man auf sie zählen und sie werden dich nicht im Stich lassen.

Organisation – Ein Spanier würde über uns Deutsche sagen, dass wir „quadriculados“ sind, was nett ausgedrückt so viel heißt wie, dass wir sehr organisiert und strukturiert, dabei aber auch unflexibel sind. Der Spanier hingegen ist weniger organisiert und lässt alles erst einmal auf sich zukommen. So beginnt er den Tag evtl. etwas gelassener. Und was er heute nicht schafft, das macht er eben mañana. Einige Dinge sind gar nicht so schlecht , „que no pasa nada!“ ist ein beliebter Ausspruch. Die innere Ausgeglichenheit, die viele arbeitswütige Deutsche im Urlaub zu kompensieren suchen, lebt der Spanier sozusagen im Alltag – gesünder für den Herzkreislauf ist es sicherlich.

Abgabetermine – Abgabetermine werden, anders als in Deutschland, als Richtwerte und Orientierungspunkt gesehen. Wenn wir Deutschen bereits einige Tage vor Abgabe ins Schwitzen kommen und uns bei einer Verzögerung tausend Mal entschuldigen, passiert bei dem Spanier erstmal… nichts. Wie heißt es so schön? In der Ruhe liegt die Kraft! Kennen lernen durfte ich das bei der zeitgleichen Zusammenarbeit mit einer spanischen und einer deutschen Tochtergesellschaft. Bei den Deutschen wusste ich: um Punkt 12:00 Uhr eines jeden Freitags hatte ich den Report, wie abgestimmt, in meinem Postfach. Bei der spanischen Tochtergesellschaft begann ich bereits am Mittwoch mit einem Anruf, um auf den anstehenden Abgabetermin hinzuweisen. Am darauffolgenden Tag dann ein weiteres Mal per E-Mail, um die Dringlichkeit zu bestärken. So hatte ich den Report dann auch von der spanischen Tochtergesellschaft pünktlich um 12:00 Uhr am Freitag. Wenn man das weiß, läuft die Sache:-)

Meetings – Wer einen Termin zum Meeting um beispielsweise 16:00 Uhr setzt, brav seine Einladungen verschickt und auch die Bestätigung erhält, braucht sich nicht zu wundern, dass er um 16:00 Uhr alleine im Meetingraum ist. Aber nicht, weil das Meeting ausfällt – nein. Sondern, weil die spanischen Kollegen das akademische Viertelstündchen einfach ernst nehmen und zelebrieren.

Telefonieren statt E-Mails schreiben – Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass ein Telefonat meist viel erfolgreicher ist als eine E-Mail. Mit einem Telefonat und einem anschließenden persönlichen Treffen bei einem Kaffee oder sogar Mittagessen wird bereits in das Richtige investiert, um auszuloten, ob die Zusammenarbeit passt oder eben nicht. Spanier lieben den persönlichen Kontakt und das Telefonieren. Dies ist meist wichtiger als jeder Abgabetermin.

Smalltalk – Hier sollte man Zeit einplanen. Spanier lieben den Smalltalk, bzw. benötigen sie einiges an Vorlaufzeit, bis sie zum Punkt kommen.

Hartnäckigkeit – Diese Eigenschaft hat sich bei mir meist bewährt. Wer immer wieder nachhakt, zeigt Interesse und wird am Ende dann auch erhört. Meines Erachtens ist etwas Hartnäckigkeit notwendig für zwei Dinge: sowohl um ein Ja, als auch um ein klares Nein zu erhalten. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass dem Spanier, anders als dem Deutschen, ein klares Nein und eine damit verbundene Absage doch etwas schwer fällt.

Termine – Wie sieht das mit den Terminen aus? Ich persönlich liebe Termine zum Frühstücken, dies ist allerdings bei den Spaniern nicht sehr verbreitet. Wenn man einen frühen Termin haben möchte, dann sollte man diesen nicht auf 8:00 Uhr setzen. Am besten zum Almuerzo gegen 11:00 Uhr (sehr beliebt) oder zu einem Geschäftsessen. Auch hier erwartet der Spanier, dass man pünktlich ist, was dagegen bei ihm relativ erscheint. Ratsam ist auch, einen bereits abgesprochenen und fest fixierten Termin einen Tag vorher nochmals telefonisch zu bestätigen.

Wenn du also demnächst wieder pünktlich um 8:00 Uhr alleine im vereinbarten Meetingraum sitzt und deine Notizen noch einmal duchgehst, bevor du bemerkst, dass deine spanischen Kollegen noch lauthals lachend an der Kaffeemaschine stehen, dann solltest du vielleicht noch einmal in dich gehen, an den nächsten Urlaub denken oder dich an der Kaffeemaschine im Smalltalk üben. 🙂