Mit unserer heutigen Homestory möchten wir euch in die Welt der Übersetzer und Dolmetscher einladen. Der derzeitige Vorsitzende des valencianischen Verbands La Xarxa, Stefan Schmidt, hat uns Rede und Antwort gestanden. Was ist eigentlich La Xarxa und wer steckt dahinter? All das erfahrt ihr in unserer Exklusivstory.
Stefan, was hat dich nach Valencia verschlagen und wie lange bist du schon hier?
Ich kam im Jahr 1987 zum ersten Mal nach Valencia, mehr oder weniger aus Zufall. Danach kehrte ich in den folgenden Jahren immer wieder für mehrwöchige Aufenthalte hierher zurück. Schließlich verlegte ich meinen Wohnsitz im Jahr 1992 endgültig nach hier, ich kenne die Stadt also seit 32 Jahren und lebe hier seit 27 Jahren. Ursprünglich komme ich aus Freiburg im Breisgau, wo ich auch mein Germanistik- und Geschichtsstudium erfolgreich abschloss. Danach arbeitete ich für mehrere Jahre in einem internationalen Transport- und Logistikunternehmen, wo ich unter anderem sehr häufig als Dolmetscher bei geschäftlichen Besprechungen mit internationalen Kunden und Partnern eingesetzt wurde. Im Jahr 2004 machte ich mich als Übersetzer und Dolmetscher selbstständig, es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis ich von meinem Beruf leben konnte. Für meinen ersten und damit ältesten Kunden habe ich nicht nur übersetzt, sondern auch mehrere Deutsch-Sprachkurse entworfen und umgesetzt, und gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen André habe ich zwei Sprachbücher geschrieben (https://amzn.to/2YyHL7w). Außerdem bin ich seit 2012 Lehrbeauftragter an der Universität von Valencia und unterrichte dort die Fächer Dolmetschen und Übersetzen. Ich bin seit 18 Jahren verheiratet und habe eine 6-jährige Tochter.
Welche Sprachen bietest du an? Welche Sprachen sind die meist gefragtesten?
Ich übersetze vom Spanischen, Valencianischen und Englischen ins Deutsche und dolmetsche außerdem noch vom Spanischen ins Deutsche. Bei mir halten sich die Übersetzungen aus dem Englischen und Spanischen in etwa die Waage.
Du bietest auch valenciano an? Wer fragt das an? Ist eher selten oder wie verhält es sich mit dem valenciano?
Ja, ich biete es an, aber es wird nicht allzu häufig angefragt, weil meistens bereits eine Übersetzung ins Spanische vorliegt. Die Anfragen kommen oft von Kunden, die offizielle Schreiben der Behörden auf valenciano erhalten.
Mit wem arbeitest du zusammen? Wer sind deine Kunden? Was sind die größten Herausforderungen mit spanischen Kunden, wie ist die Zusammenarbeit? Merkst du Unterschiede zu den deutschen Gepflogenheiten?
Meine Kunden sind zum einen Übersetzungsagenturen und zum anderen direkte Kunden, also Firmen oder Institutionen, die einen Übersetzer oder Dolmetscher benötigen, seltener auch Privatleute. Die Zusammenarbeit ist im allgemeinen sehr gut, allerdings muss man manchen Kunden erst erklären, dass eine gute Übersetzung eine gewisse Zeit benötigt und dass, wenn der Originaltext Fehler enthält, diese auch nicht durch eine gute Übersetzung unbedingt wettgemacht werden können. Kunden, die es mit einer fristgemäßen Vergütung nicht allzu genau nehmen, sind ein weiteres Problem. Große Unterschiede zu deutschen Kunden kann ich nicht feststellen, auch dort gibt es pünktliche und unpünktliche Zahler.
Wie bereits erwähnt bist du der derzeitige Vorsitzende von La Xarxa – was ist das, was macht ihr, wie lange gibt es euch und wie finanziert ihr euch?

La Xarxa de Traductors i Intèrprets de la Comunitat Valenciana, also das Netz(werk) der Übersetzer und Dolmetscher der Autonomen Gemeinschaft Valencia feiert dieses Jahr sein 15-jähriges Jubiläum. Da es keine offiziellen Berufsvereinigung der Übersetzer und Dolmetscher gibt, versuchen wir, die Interessen unseres Berufs und unserer Mitglieder zu verteidigen. Es geht uns zum einen um die Förderung und Entwicklung des Berufsbildes von Übersetzern und Dolmetschern in der Comunidad Valenciana. Zum anderen versuchen wir, den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern zu ermöglichen und betonen im übrigen unsere Funktion als ein sich gegenseitig unterstützendes Netzwerk. Wir finanzieren uns ausschließlich durch die Mitgliedsbeiträge.
Wer kann Mitglied werden und was bietet ihr den Mitgliedern Spezielles an?
Wir bieten zwei Arten der Mitgliedschaft an. Zum einen als ordentliches Mitglied, dazu muss man ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben und/oder seit mindestens 5 Jahren nachweislich als Übersetzer und/oder Dolmetscher tätig und auch aktuell aktiv sein. Zusätzlich bieten wir eine außerordentliche Mitgliedschaft zum Beispiel für Studenten oder andere Personen an, die an unserem Beruf interessiert sind, ihn aber noch oder zur Zeit nicht aktiv ausüben. Neben einem regen Austausch unter den Mitgliedern und einer Suchmaschine, in der unsere Vollmitglieder ihre Sprachenkombinationen, Fachgebiete und Leistungen anbieten können, organisieren wir auch Vorträge, Workshops und Kongresse und bieten zum Teil erhebliche Preisvorteile für spezielle Software, Buchhandlungen und Bildungseinrichtungen. Und gerade für Übersetzer, die oftmals alleine vor dem Computer arbeiten, sind die geselligen Zusammenkünfte, die wir regelmäßig organisieren, gute Gelegenheiten, sich mit anderen Kollegen zu treffen und auszutauschen.
Wie hat sich Valencia über die Jahre hinweg für dich verändert?
Die Stadt hat sich, wie Spanien generell, in den letzten 30 Jahren mit einer unglaublichen Geschwindigkeit verändert. Ich habe Valencia noch ohne Strandpromenade und U-Bahn kennengelernt, auch vom Jardín del Turia, dem Flussbett, war erst ein kleiner Teil fertiggestellt. Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre war Valencia eine herrlich anarchische, chaotische Stadt, die 24 Stunden am Tag geöffnet war. Danach wurde Valencia nach und nach modernisiert, der Bau der Stadt der Wissenschaft und Künste und der America´s Cup und die damit verbundene völlige Umstrukturierung des Hafens veränderten Valencia ganz besonders einschneidend. Allerdings wurde die Stadt gleichzeitig auch von selbstsüchtigen Politikern zur vermeintlichen Weltstadt mit Formel 1 und Papstbesuch gepusht, an den Folgen dieses mit einer enormen Verschuldung verbundenen Größenwahns leiden wir heute noch. In den letzten Jahren ist die Entwicklung jedoch wieder in richtigere Bahnen gelenkt worden, und inzwischen ist Valencia mit seinem grünen Flussbett, dem U-Bahn-Netz und den vielen Fahrradwegen, mit den zahlreichen restaurierten Gebäuden und Infrastrukturen und mit vielen anderen Dingen zu einer noch lebenswerten und umweltfreundlicheren Stadt geworden.
Was sind deine Lieblingsplätze in Valencia und wie entspannst du dich?
Der Mercat Central ist einer meiner Lieblingsplätze, auch ansonsten bleibt die Ciutat Vella, die Altstadt, mehr noch als die Modeviertel Russafa oder Benimaclet, mein Lieblingsviertel der Stadt. Ich laufe immer noch gerne scheinbar ziellos durch die Altstadtgassen, trinke etwas im Café Lisboa oder im Negrito, lasse mich einfach treiben. Ebenso gerne bin ich jedoch auch in Hafen- und Meeresnähe, wo ich auch wohne.
Hast du ein Lieblingsessen und/oder Lieblingsrestaurant?
Leider esse ich viel zu gerne, zum Beispiel die meiner Meinung nach beste Paella der Stadt in „Casa Carmela“ am Malvarrossa-Strand. Mein Lieblingsrestaurant, die „Casa Montaña“, befindet sich ganz in der Nähe, im Cabañal .
Was vermisst du aus Deutschland besonders?
Ich bin immer wieder gerne in meiner Heimat, zumal Freiburg ja auch eine wunderschöne und in jeder Hinsicht grüne Stadt ist. Aber das Gefühl des „Nachhausekommens“ empfinde ich inzwischen ganz eindeutig, wenn ich wieder nach Valencia zurück kehre. Deshalb vermisse ich aus Deutschland eigentlich hauptsächlich meine Familie und einige wenige alte Freunde, die ich dort noch immer habe. Na gut, und vielleicht noch das Cräsh, meinen Lieblings-Club in Freiburg.
Vielen Dank Stefan für das nette Gespräch, deine kleinen Einblicke in dein Leben und Informationen über deine Arbeit!